Mitten in Nepal
Mitte der 90er Jahre war ich als
sozialpolitische Journalistin für zwei Jahre in
Nepal unterwegs. Meine Recherchen führten mich quer durch das Land im Himalaya. Von Nepalgunj im Westen, wo ich die Badi besuchte, eine ethnische Gruppe, in der sich fast alle Frauen aus wirtschaftlicher Not prostituierten, bis nach Jhapa im Osten, um Schreib- und Nähmaschinen in ein bhutanesisches Flüchtlingslager zu transportieren. Auf den Spuren junger Mädchen, die in indische Bordelle verkauft wurden, reiste ich von kleinen Dörfern im Norden an die indische Grenze im Süden. Auf all meinen Wegen begegnete ich atemberaubenden Landschaften, mal in den kühlen Bergregionen und mal in der schwül heißen Tiefebene Terai. Am schönsten aber waren die
Begegnungen mit den Menschen. Egal, ob Männer oder Frauen, Kinder oder Alte, Buddhisten oder Hinduisten, meist hatte ich Glück und wurde freundlich, manchmal sogar herzlich aufgenommen.
In den Bergen
Übernachtungsmöglichkeiten in Bergdörfern wurden einfach so gelöst, dass ganze Familien, sofern sie über zwei Zimmer verfügten, eng zusammenrückten, um Platz für Gäste zu machen. Dass sich danach manch ungeliebter Mitbewohner als Floh im eigenen Pelz einnistete, galt es in Kauf zu nehmen. Eine einzige Quelle, die von allen Bewohnern in den frühen Morgenstunden als öffentliches „Badezimmer“ genutzt wurde, verhinderte bisweilen aufgrund der kühlen Witterung und des anerzogenen Schamgefühls eine gründliche Reinigung. Radebrechende Gespräche, die mich sowohl als Interviewer wie auch als Interviewten anstrengten und amüsierten, waren aber Entschädigung genug.
Gemeinsame Mahlzeiten aus einer Schüssel Reis und einem Topf mit Linsen, dem Nationalgericht Dal Bhat, bleiben mir aber genauso in Erinnerung wie Einladungen zu hinduistischen Hochzeiten, auf denen alle kulinarischen Köstlichkeiten auf den Tisch kamen, die Land und Leute zu bieten hatten: Hühnchen und Schweinefleisch, mal süß, mal sauer, diverse Currygerichte, Kartoffeln mit Blumenkohl (Alu Gobi) und verschieden Gemüse der Saison (Tarkari). Nicht zu vergessen, die Momos, die man mit Maultaschen vergleichen könnte, bei tibetischen Freunden.
In Kathmandu
Die meiste Zeit habe ich allerdings an meinem Hauptstandort in
Kathmandu verbracht. Schon damals war es in der Hauptstad Nepals kaum auszuhalten. Die extreme Luftverschmutzung zwang mich, hin und wieder auf Motorradfahrten einen Mundschutz zu tragen. Und die ständigen „power cuts“ machten das Arbeiten am PC bei Kerzenschein zu einer Herausforderung und killten mein Akku viel zu schnell. Aber es war aufregend. Laut, hektisch, schmutzig, aber auch bunt, schrill und einfach schön. Zu meinen Freunden gehörten auch
Straßenkinder, die mich in Hinterhöfen zu Tee und Tabak einluden, und mich instruierten, was ich am nächsten Tag den damaligen
Premierminister Man Mohan Adhikari im Interview fragen solle. Was ich auch machte. Ich wurde sowohl von tibetischen wie auch nepalesischen Familien „adoptiert“ und konnte in ihren Häusern ein- und ausgehen. Entwicklungshelfer aus aller Herren Länder führten mich zu ihren Projekten, sodass ich die Arbeit zahlreicher NGOs verfolgen und für meine Recherchen nutzen konnte. Allen, die damals meinen Weg in Nepal gekreuzt haben, mich unterstützt und aufgenommen haben, sende ich ein herzliches Namaste und sage:
Dhanyabaad!